Osmanische Küche II

Osmanische Küche Teil II, Der Familientisch – Die Gästetafel – Kaffezeremonie – Armenküchen – Das Brot – Tischgewohnheiten

Der Familientisch

Die osmanische Familie aß zweimal am Tag. Einmal am späten Vormittag und abends. Der Mittelpunkt der Tischgesellschaft war immer der Vater. Die Großeltern saßen rechts und links vom Vater, die Mutter mit den Kindern zusammen, um ihnen beim Essen zu helfen. Ein Tuch wurde auf dem Boden ausgebreitet, auf dem auf einem niedrigen Gestell eine Holzplatte ausgerichtet wurde. Hier fand die große Essschüssel ihren Platz, um die rings herum die Löffel gelegt wurden.

Von islamischen Propheten stammt diese wichtige Empfehlung: “Nehmt eure Mahlzeiten gemeinsam mit der Familie ein, denn diese Mahlzeiten haben Gottes Segen.” In der Regel hielt man sich an diesen Leitsatz. Kissen wurden leicht schräg rings um die Tischplatte gelegt und der Wasserkrug auf die Tischdecke auf der Erde gestellt.

Der erste Gang bestand in der Regel aus einer Suppe, die in einer großen Schüssel aufgetragen wurde. Der Vater begann, nach einem kurzen Tischgebet, zu essen. Beim Essen zu sprechen war nicht üblich. Auch lautes Lachen wurde vermieden. Schmeckte irgendjemandem die Mahlzeit nicht, so brachte er das nicht zum Ausdruck. Schmatzen gehörte sich nicht und die Brotbrocken wurden nicht abgebissen, sondern abgebrochen.

Wer ein langes Gesicht zog, wurde in gemäßigtem Ton ermahnt. Wollte einer an der Tischgesellschaft Wasser trinken, so wurde sein Glas von einem der Kinder gefüllt. Während er trank, hörten alle anderen auf zu essen und warteten, bis derjenige sein Glas wieder abgesetzt hatte. Auf diese Art und Weise war gewährt, dass jeder anteilmäßig die gleiche Menge Essen zu sich nehmen konnte.

Das Essen wurde mit dem Löffel aus dem gemeinsamen Topf auf der Mitte des Tisches gegessen. Messer und Gabel wurden nicht benutzt. Nach den politischen Reformen 1839, “Tanzimat”, jedoch änderte sich diese Gewohnheit und ab da hatte jeder einen eigenen Teller vor sich und man benutzte neben dem Löffel auch Messer und Gabel.

Nach der Suppe gab es für gewöhnlich eines der zahleichen Fleischgerichte mit einer Reisbeilage. Den dritten Gang bildete eine kaltes Essen oder eine Pastete. Zum Abschluss wurde eine Süßspeise oder eine Obstschale aufgetischt.

Nachdem der Vater das Dankesgebet gesprochen hatte, nahmen alle eine Prise Salz aus dem Salzbehälter, streuten sie sich in den Mund und bedankten sich mit einer feststehenden Redensart, wie “Deine Hände seien gesegnet” oder “Es hat sehr gut geschmeckt” bei der Person, meistens der Mutter, die das Essen gekocht hatte. Danach begab sich die älteste Tochter in die Küche, um für alle Anwesenenden türkischen Kaffee zu kochen. Während die Großeltern sitzen bleiben durften, standen alle anderen auf und trugen der Reihe nach das Essgeschirr in die Küche. Auf keinen Fall durften Brotkrumen auf der Erde liegen bleiben.

Die Gästetafel

Bei Einladungen von Verwandten, Freunden und Nachbarn wichen die Tischsitten etwas von den alltäglichen ab. Bei diesen Festmahlen wurde in der Regel der Tisch für Frauen und Männer getrennt, jedoch im gleichen Raum gedeckt. Eine andere Möglichkeit war eine Tafel nur für Frauen, die jedoch tagsüber wenn die Männer bei der Arbeit waren, stattfand. Ein Essen ausschließlich für Männer konnte nur abends nach der Heimkehr der Männer organisiert werden. Die Einladung zu solch einem Gastmahl wurde auch mit einer festen Redewendung ausgesprochen: “Am Abend wollen wir bei uns essen, was uns Gott gegeben hat.” Die Eingeladenen brachten den Gastgebern ein Gastgeschenk oder den Kindern des Hauses eine Kleinigkeit mit. Bei Männerabenden gab es diese Sitte jedoch nicht. Eine der eingeladenen Frauen übergab der Dame des Hauses das Geschenk mit der Redensart: “Eigentlich sind Sie eines besseren Geschenkes würdig”, womit sie die Unwichtigkeit und Bedeutungslosigkeit ihrer Gabe bescheiden hervorstrich. Die Hausfrau antwortete und bedankte sich ebenfalls mit einer Floskel: “Wieviel Mühe Sie sich gegeben haben, das war doch nicht nötig.”

Lange Zeit war es auch Sitte, dass man den Gästen, bevor man sich zum Essen niederließ, einen Löffel Honig oder Konfitüre anbot. Dieses Angebot wurde von den Worten “Essen und sprechen wir süß” begleitet, was den Wunsch nach einer gelungenen streitfreien Unterhaltung an diesem Abend aussprach. Gäste, die ohne Voranmeldung zur Essenszeit erschienen, wurden als von Gott geschickt betrachtet und mit der Frage “Habt ihr schon gegessen?” oder “Seid ihr hungrig?” empfangen. Selbst wenn der Besuch sehr ungelegen war, ließ sich das die Hausfrau auf keinen Fall anmerken und bat den Gast nachdrücklich zu Tisch mit den Worten: ”Der Gast isst nicht was er erhofft, sondern das was er vorgesetzt bekommt.” Während des Essens wurde dem Gast mehrfach, aus Sorge dass er nicht satt werden würde, von den Beilagen wie Salat oder Käse angeboten. Wenn dieser mehrfach aus Höflichkeit mit den Worten “Ich bin satt, ich möchte nicht” abgelehnt hatte, wurde ihm mit Nachdruck und folgenden Worten das Zugreifen nahegelegt:
“Gäste sind die Lieblinge der Hausfrau. Macht mich nicht traurig, greift zu.”

Daraufhin blieb den Gästen nichts anderes übrig, als sich von den vor sie hingeschobenen Speisen zu bedienen. Gleichgültig, ob die Gäste nun geladen oder nicht geladen waren, trank einer von ihnen bei Tisch ein Glas Wasser, bedankte er sich lächelnd bei dem Einschenkenden mit den Worten: ” Mögest du wie das Wasser kostbar und teuer sein”. Hatte eines der Kinder sein Glas gefüllt sagte er : “Sei gesegnet mein Sohn” oder “Sei gesegnet mein Mädchen.”

Die Speisenfolge begann auch bei den Mahlzeiten mit Gästen mit einer Suppe, der sich je nach Wohlstand und Region der Gastgeber ein bestimmtes Fleischgericht anschloss. Pilaw, kalte Speisen und Pasteten wurden im nächsten Gang angeboten. Verschiedene Süßigkeiten standen nach dem Essen zur Auswahl.
Das älteste Mitglied der Tischgesellschaft bedankte sich nun mit einem kleinen Gebet und hob anschließend mit folgenden traditionellen Worten die Tafel auf:

“Zuteil werde deiner Tafel Ehre,
gegen Unglück und Pech dieses Haus sich wehre
und die Gastgeber glücklich und zufrieden seien.”

Häufig benutzte Floskeln, betreff der Gastfreundlichkeit in der damaligen Zeit, waren auch:
„Gäste sind ein Zeichen für den Wohlstand des Hauses.“
„Bleibt gesund, solange ihr lebt.“
„Du brauchst einen Türken nur zu grüßen, um dir um dein Essen keine Sorgen mehr machen zu müssen.“
„Käse und Brot sind schon ein Essen.“
„Denk nicht an das, was du selbst essen willst, sondern an das, was du abgeben kannst.“

Tischgewohnheiten bei Gemeinschaftsessen

Die Form von Gemeinschaftsessen finden wir in vielen Lebensbereichen, wie z.B. beim Militär, in den großen und kleineren Derwischklöstern, Schulen, Karawansereien und Herbergen. Die Unkosten für diese Gemeinschaftsessen wurden in der Regel von Stiftungen bestritten.
Zur Essenszeit begab sich ein Beauftragter in den Hof des Gebäudes, um mit lauter Stimmer “ Huuuuu, kommt zu Tisch” zu rufen. Auf diese Aufforderung hin ließ jeder in dem Gebäude sofort seine Arbeit liegen, wusch sich die Hände und eilte um niemanden warten zu lassen in den Speisesaal. Jeder kannte seinen Platz in der Tischordnung und ließ sich dementsprechend nieder, bedeckte seine Knie mit dem langen gemeinschaftlichen, handgewebten Tuch, welches die Funktion einer Serviette erfüllte und wartete auf den Ältesten der das Tischgebet sprechen würde. Daraufhin tauchten alle fast gleichzeitig ihre Löffel in die gemeinsame Suppenschüssel und die Tafel war hiermit eröffnet.
Auch hier galten die gleichen Anstandsregeln wie bei einer Familientafel: Sprechen, Lachen, Naserümpfen über das Essen, Brot abzubeißen anstatt es zu brechen und sich des Essensanteiles eines anderen zu bedienen, war verpönt.
Nach dem Essen sprach der Älteste oder ein von ihm ausgewählter Vertreter das Dankgebet, woraufhin sich alle Anwesenden etwas Salz in den Mund streuten.
Diese Gemeinschaftsessen fanden nur unter Männern statt und Frauen durften nicht daran teilnehmen.

Die Armenküchen

Ein anderer Ort für Gemeinschaftsessen waren die sogenannten Armenküchen, die von den Osmanen für die Speisung Bedürftiger eingerichtet worden waren. Die Idee dieser Armenküchen entsprang den islamischen Vorschriften für die Abgabe der jährlichen vorgeschriebnen Almosen und der Spende, die in den letzten Tagen des Ramadan fällig war. Das Essen in den Armenküchen war umsonst und die Kosten wurden von Stiftungen, die verschiedene reiche Bürger ins Leben gerufen haten, getragen. Allein in Istanbul wurden auf diese Art und Weise 4–5 Tausend Menschen verköstigt. An Fest- und Feiertagen waren es sogar noch mehr. Diejenigen, die solch eine Armenküche ins Leben gerufen hatten, waren dazu verpflichtet, ihren ganzen Grundbsitz dieser Einrichtung zu vermachen. Auf diese Art und Weise hatte man einen Fortbestand der Volksküchen garantiert. Das spezielle Kleiebrot, das hier ausgegeben wurde, hatte auch einen besonderen Namen und man nannte es “Fodla”.

Die Zeremonie des Kaffeetrinkens

Gleichgültig, welches Essen man vorher zu sich genommen hatte, der türkische Kaffee war immer der Schlusspunkt nach der Menüfolge. Auch im täglichen Leben hatte er seinen festen Platz. Besonders zur damaligen Zeit gab es rund um den Kaffee zahlreiche Bonmots, Redewendungen und Zeremonien. Es gab Kaffeesüchtige, eine spezielle Kochgelegenheit für Kaffee, Zukunftslesen aus dem Kaffeesatz, Kaffeetassen und nicht zu vergessen den Spruch, der besagt, dass eine Tasse Kaffee bis zu vierzig Jahren Wohlbefinden auslösen kann.

Türkischer Kaffee konnte auf vier verschiedene Arten genossen werden: als einfacher ungesüßter, sehr süßer, mittelsüßer und wenig gesüßter Kaffee.

Der türkische Kaffee wurde zu verschiedenen Tageszeiten zu sich genommen, die ihm dann auch den Namen gaben. Zum Beispiel trank man den Morgenkaffee entweder direkt nach dem Aufstehen oder kurz vor dem Mittagessen. Diese Art von Morgenkaffee konnte man auch mit Milch trinken. Außerdem gab es noch den Genießerkaffee der getrunken wurde wenn man müde war, den Klatsch- und Tratsch Kaffee den man am liebsten mit jemandem Vertrauten einnahm den Wahrsagekaffee den man nur trank um aus dem herausgelaufenen Kaffeesatz der umgedrehten Tasse die Zukunft zu lesen, den Pausenkaffee und den Verdauungskaffee nach dem Essen.
Es war üblich, einen Gast mit folgenden Worten einzuladen: “Komm zu uns, du kannst wenigstens einen bitteren Kaffee mit uns trinken.” Kamen Raucher und Kaffeetrinker zusammen, so pflegte man zu sagen:

“Die perfekte Ergänzung zum Kaffeegenuss ist der Tabak.”
Natürlich gab es auch Teeanhäger, die ein Glas Tee nach dem Essen dem Kaffee vorzogen. Diese hielten es mit einer anderen Redewendung: “Ein weiser Mann erfand den Tee, trinkt abends einen und morgens zwei.

Das Brot und anderes

Das Brot wurde früher von den Hausfrauen persönlich in eigenen Backöfen hergestellt. Meistens kamen an bestimmten Tagen alle Nachbarsfrauen zusammen, um sich gegenseitig beim Brotbacken zu helfen.
In der türkischen Küche war ein gedeckter Tisch auf dem Brot fehlte; einfach undenkbar.
Zum Brotbacken wurde Weizen-, Roggen-, Maismehl und Kleie verwendet, die Formen des fertigen Brotes konnnten Laibe, Fladen, kleine runde Scheiben und hauchdünn ausgerollte und gebackene Teiglappen sein. In der Schwarzmeerregion wurde ein Maisbrot hergestellt, dass man “türkce” nannte, speziell in Istanbul waren die Brotlaibe lang und dünn. Natürlich hatte sich auch Form und Geschmack des Brotes mit der Zeit gewandelt und manche Brotarten konnte man nicht zu jeder Zeit bekommen. Zum Beispiel ist die Herstellung von Fladenbrot, dem sogenannten “Pide Ekmek” dem Ramadannmonat vorbehalten.

Nachdem das Osmanische Reich unter westlichem Einfluss einige Dinge veränderte, begann man auch, die bisher eigene Brotproduktion in die Stadt, in allgemeine Bäckereien zu verlegen. Dieses fertig gekaufte Brot wurde lange Zeit von den Hausfrauen gemieden. Es galt sogar als Makel für eine Familie, wenn man diese fertige Brot aus der Stadt aß. Teilweise machte man sich sogar lustig über sie. Verächtlich reimten die stolzen Hausfrauen:

„Aus dem Heuschober wurde ein Palast,
Auch die Hausfrau hat keine Last“

Oder:
„Das Brot ging in die Stadt,
Alle blieben hungrig, was man ihm übel genommen hat“

Aber in Wirklichkeit war es natürlich so, dass niemand dem Brot etwas übel nahm und schon gar nicht beleidigt war. Denn das Brot war ein unverzichtbarer Bestandteil der türkischen Speisetafel und ist es mit seiner Schmackhaftigkeit bis zum heutigen Tage geblieben.

Und so stellen wir auch heute noch das aufgeschnittene Brot auf den Tisch.

Quelle: Kulturministerium Türkei